1956: Unterschied zwischen den Versionen
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Dennoch bestehen Mängel, wie sie wohl an jedem alten Schulhaus vorhanden sind, die eine Dienststelle in der Stadt anziehender erscheinen lassen. So entsprechen z.B. die sanitären Anlagen nicht denon in einer Stadt. Oft weht der Geruch aus den Trockenaborten durch das ganze Haus bis in die Lehrerwohnungen. Keine Wohnung hat ein Bad. Die Wohnung im Erdgeschoss ist sehr feucht, was auch kaum zu ändern sein dürfte. Die Wasserleitung fällt bei zu hohem, zu niedrigem Wasserstand und bei großer Kälte aus, sodass manchmal wochenlang das Wasser bei Nachbarn geholt werden muss. | Dennoch bestehen Mängel, wie sie wohl an jedem alten Schulhaus vorhanden sind, die eine Dienststelle in der Stadt anziehender erscheinen lassen. So entsprechen z.B. die sanitären Anlagen nicht denon in einer Stadt. Oft weht der Geruch aus den Trockenaborten durch das ganze Haus bis in die Lehrerwohnungen. Keine Wohnung hat ein Bad. Die Wohnung im Erdgeschoss ist sehr feucht, was auch kaum zu ändern sein dürfte. Die Wasserleitung fällt bei zu hohem, zu niedrigem Wasserstand und bei großer Kälte aus, sodass manchmal wochenlang das Wasser bei Nachbarn geholt werden muss. | ||
Als Gründe für die Landflucht der Lehrer wurde in Gesprächen der Kollegen noch folgende Tatsachen angeführt: Die wenig gegliederte Schule erfordert mehr Anstrengung. Die Arbeit des Lehrers wird auf dem Lande nicht immer entsprechend gewürdigt und unterstützt, da die Eltern die größeren Kinder schon zur bäuerlichen Arbeit daheim behalten möchten. Der Landlehrer hat mit seiner Familie keinen Anteil an kulturellen Veranstaltungen oder nur, wenn er große Kosten und Umstände auf sich nimmt. Für alleinstehende Lehrerinnen ist diese Abgeschlossenheit noch schwerwiegender. Seine Kinder muss der Landlehrer zur Ausbildung oft schon zeitig aus dem Elternhaus geben, was die Lebenshaltung wesentlich verteuert. Dies wird nicht mehr durch die niedrigen Mieten, die bis 100% erhöht wurden, etwas erleichtert. Zudem sind zum Einkauf oft weite Wege und Benützung eines Verkehrsmittels notwendig. Den aus der Stadt kommenden Lehrern fehlt aber auch manchmal der Sinn und die willens mäßige Aufgeschlossenheit für die echten Werte des Landlebens. | Als Gründe für die Landflucht der Lehrer wurde in Gesprächen der Kollegen noch folgende Tatsachen angeführt: Die wenig gegliederte Schule erfordert mehr Anstrengung. Die Arbeit des Lehrers wird auf dem Lande nicht immer entsprechend gewürdigt und unterstützt, da die Eltern die größeren Kinder schon zur bäuerlichen Arbeit daheim behalten möchten. Der Landlehrer hat mit seiner Familie keinen Anteil an kulturellen Veranstaltungen oder nur, wenn er große Kosten und Umstände auf sich nimmt. Für alleinstehende Lehrerinnen ist diese Abgeschlossenheit noch schwerwiegender. Seine Kinder muss der Landlehrer zur Ausbildung oft schon zeitig aus dem Elternhaus geben, was die Lebenshaltung wesentlich verteuert. Dies wird nicht mehr durch die niedrigen Mieten, die bis 100% erhöht wurden, etwas erleichtert. Zudem sind zum Einkauf oft weite Wege und Benützung eines Verkehrsmittels notwendig. Den aus der Stadt kommenden Lehrern fehlt aber auch manchmal der Sinn und die willens mäßige Aufgeschlossenheit für die echten Werte des Landlebens. | ||
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+ | Kircheiselfing,den 26.2.1956 |
Version vom 15. April 2008, 09:08 Uhr
Anschreiben des Schulleiters an das Schlamt Wasserburg:
Leitung der Volksschule
K i r c h e i s e l f i n g
An
das Schulamt
W a s s e r b u r g / Inn
Betreff: Sesshaftmachung der Lehrer auf dem Land.
In der Zusammenarbeit zwischen Schule und Schulgemeinde Kircheiselfing hat es bisher keine Schwierigkeiten gegeben. Die Schulgemeinde lässt jedes Jahr notwendige Verbesserungen an Schulhaus, innerer Ausgestaltung und anden Dienstwohnungen vornehmen.
Dennoch bestehen Mängel, wie sie wohl an jedem alten Schulhaus vorhanden sind, die eine Dienststelle in der Stadt anziehender erscheinen lassen. So entsprechen z.B. die sanitären Anlagen nicht denon in einer Stadt. Oft weht der Geruch aus den Trockenaborten durch das ganze Haus bis in die Lehrerwohnungen. Keine Wohnung hat ein Bad. Die Wohnung im Erdgeschoss ist sehr feucht, was auch kaum zu ändern sein dürfte. Die Wasserleitung fällt bei zu hohem, zu niedrigem Wasserstand und bei großer Kälte aus, sodass manchmal wochenlang das Wasser bei Nachbarn geholt werden muss.
Als Gründe für die Landflucht der Lehrer wurde in Gesprächen der Kollegen noch folgende Tatsachen angeführt: Die wenig gegliederte Schule erfordert mehr Anstrengung. Die Arbeit des Lehrers wird auf dem Lande nicht immer entsprechend gewürdigt und unterstützt, da die Eltern die größeren Kinder schon zur bäuerlichen Arbeit daheim behalten möchten. Der Landlehrer hat mit seiner Familie keinen Anteil an kulturellen Veranstaltungen oder nur, wenn er große Kosten und Umstände auf sich nimmt. Für alleinstehende Lehrerinnen ist diese Abgeschlossenheit noch schwerwiegender. Seine Kinder muss der Landlehrer zur Ausbildung oft schon zeitig aus dem Elternhaus geben, was die Lebenshaltung wesentlich verteuert. Dies wird nicht mehr durch die niedrigen Mieten, die bis 100% erhöht wurden, etwas erleichtert. Zudem sind zum Einkauf oft weite Wege und Benützung eines Verkehrsmittels notwendig. Den aus der Stadt kommenden Lehrern fehlt aber auch manchmal der Sinn und die willens mäßige Aufgeschlossenheit für die echten Werte des Landlebens.
Kircheiselfing,den 26.2.1956