1963

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Bei den Eskimos hieß er „Rundköpfiger Wal“

In Kircheiselfing trug man Prof. Dr. h. c. Otto Geist zur letzten Ruhe

Obing, Ein vor allem auch in Obing und Umgebung bekannter Mann, der Bruder des hiesigen Fotografen Geist, Herr Otto W. Geist, ist dieser Tage in München, im Nymphenburger Krankenhaus, gestorben. Geist, der in der Neuen Welt zu hohen Ehren kam, erreichte ein Alter von 74 Jahren. Erst im Jahre 1957 noch war ihm von der Universität Alaska der Titel eines Dr. h. c. verliehen worden.

Professor Geist wurde geboren in Kircheiselfing, Kreis Wasserburg, wo sein Vater lange Jahre als Oberlehrer wirkte; dort auch wuchs er im Kreise zahlreicher Geschwister auf. Eine seiner Schwestern heiratete den späteren Oberlehrer Maier aus Palling. Es war dem jungen Otto Geist gewiss nicht an der Wiege gesungen worden, dass er eines Tages im fernen Alaska zu solchen Ehren kommen würde.

Er war noch sehr jung, dieser Otto, als er nach der Staaten auswanderte, um nach Gold zu suchen. Doch schon bald suchte er nach anderen Dingen: Nach den Überresten ausgestorbener Tierarten. Auf diesem Gebiet wurde er bald zum anerkannten Experten. Allein für die Universität Alaska katalogisierte er über hunderttausend wertvolle Einzelstücke, die er entweder selbst in den Eis- und Schneefeldern Alaskas gefunden hatte oder die ihm von getreuen Mithelfern gebracht wurden. Während seiner Forschungstätigkeit weilte er viele Jahre unter den Eskimos; er wurde so sehr einer der ihren, dass ihn ein Stamm regelrecht aufnahm und ihm den Titel „Rundköpfiger Wal“ verlieh. Am rechten Arm trug er die Stammestätowierung. Geist hat über seine Erlebnisse bei den Eskimos ein eigenes Buch geschrieben, das 1936 herauskam und heute schon zur völkerkundlichen Standardliteratur zählt.

Seine Funde, seine Aufzeichnungen, seine Katologisierungen machten den Mann aus Kircheislfing in Oberbayern in Fachkreisen zum berühmten Gelehrten. Schon vor langer Zeit wurde er zum ordentlichen Professor für Archäologie an sder Universität Alaska ernannte, 1957 wurde ihm in feierlicher Weise der Ehrendoktor verliehen. Darüber vergaß er nie seine Heimat: Er blieb mit seinen Geschwistern zuhause stehts in Briefwechsel. Es war ihm eine besondere Freude, seiner Heimatgemeinde ein neues Glockengeläute schenken zu können. 1957 verlieh ihm Kircheislfing das Ehrenbürgerrecht - Geist befand sich zu jener Zeit, nach 48 Jahren zum ersten mal wieder, in Deutschland. 1962 konnte er persönlich an der Weihe „seiner“ Glocken teilnehmen. Eine Rückkehr nach Alaska sollte ihm nicht mehr beschieden sein; der durch zahlreiche Strapazen doch mehr, als er, der Forscher, das wahr haben wollte, mitgenommene Körper machte nicht mehr mit. Ruhig ist er in München entschlafen.

In seinem Heimatdorf Kircheislfing trug man ihn zur letzten Ruhe. Bürgermeister Dallmeier würdigte Leben und Werk des Heimgegangenen, des Ehrenbürgers Otto Geist. Auch Vertreter der Paläotologischen Sammlungen der Universität München waren zugege; für die Universität Alaska war in deren Auftrag der Leiter der Ethnografischen Abteilung des Nationalmuseums Kopenhagen gekommen. Aucg das Amerikanische Kosulat in München hatte einen Vertreter entsandt. In allen Ansprachen, auch in jener des Geistlichen, klang die hohe Wertschätzung auf, die man dem Forscher Geist jederzeit entgegengebracht hatte.

Unter den Klängen des bayrischen Defiliermarsches wurde der Sarg in die Erde gesenkt. Drei Böllerschüsse hallten über den Friedhof. Kircheislfing hat mit Geist seinen wohl berühmtesten Sohn verloren.

Aus dem Trostberger Tagblatt vom 20. August / 21. August 1963

Vera Meder , Stefanie Höhne



Ein großer Freund der Eskimos

Eine Eskimo-Zeitung würdigte das Wirken Dr. Otto Geists

(Schluß) In einer Eskimo- und Indianerzeitung in Fairbanks, Alaska, erschien, wie berichtet, ein Artikel des Redakteurs Howard Rock, der zum Gedenken an den Verstorbenen, aus Kircheiselfing gebürtigen Professor Dr. Otto W. Geist Episoden aus dem Leben des Forschers schildert, vor allem einen Besuch in dem frühgeschichtlichen Point Hope am Eismeer. Wir bringen nachfolgend Fortsetzung und Schluß. „Otto W. Geist begann Expiditionen in der Arktis zu unternehmen. Er sammelte große Mengen archäologischer Fundstücke und prähistorischer Gegenstände, die er alle seiner geliebten Universität zukommen lies. Er ist an hervorragender Stelle dafür verantwortlich, dass Museum der Universität Alaska heute ein derart großes Ansehen genießt. Das Museum besitzt eine der größten archäologischen Eskimo-Sammlungen der Welt. Ein Wesentlicher Teil dieser Sammlung stammt von der St.-Lorenz-Insel, wo Otto Geist beinahe neun Jahre lang Ausgrabungen leitete. Während dieser Zeit entdeckte er auch seine Vorliebe für die Lebensweise der Eskimos. Er wohnte mit ihnen zusammen, aß und jagte mit ihnen, und lernte den Eskimo-Speisezettel schätzen. Während der ersten Tage seines Aufenthaltes in Point Hope fragte Otto Geist deshalb beiläufig: „ Wann werde ich einmal eine Eskimo-Mahlzeit bekommen?“ Ich betrachte das als Scherz, doch er wiederholte die Frage noch ein paarmal. Ich sagte daher: „ Soll das heißen, dass Sie „Muktuk“, „Saal“-Öl und ähnliches haben möchten?“ - „ Ja natürlich. Glauben Sie, ich hätte die ganze Zeit über gescherzt?“, war die Antwort.

Eines Tages erzählte ich Frances noch vor dem Mittagessen, wir wollen als Mittagsmahlzeit sehr gern etwas „Muktuk“, Seehundöl und Wahlfleisch haben. Ihr Gesichtsausdruck schien zu sagen: „ Ich habe ja wirklich schon viel gehört, aber das …?“ Ungeachtet dessen erfüllte sie unseren Wunsch. Otto und ich begannen zu essen. Je länger wir speisten, desto öfters warfen Frances und die anderen Anwesenden abschätzende Blcike auf Otto. Bald jedoch begannen sie zu lachen und sagten in ihrer Eskimosprache: „ Das kann doch einfach nicht wahr sein.“ Von da an hatten Frances und ihre Hilfskräfte immer einen riesigen Spaß, wenn sie Otto mit Eskimo-Mahlzeiten bedienen konnten. Otto W. Geist war seinem ganzen Wesen nach ein wirlicher Humanist. Mit seiner Weltanschauung errang er die Achtung der Eskimos, denen er wiederum seine Achtung zollte. Die Folge war eine uneeingeschränkte, gute Freundschaft. Selbstverständlich zeigte Otto auch stehts größtes interesse für Eskimoprobleme. So gehörte er auch zu den Zuhörern bei einer Zusammenkunft der Einwohner von Point Hope mit hohen Beamten der „Atom-Energie-Kommission“, die bezüglich eines bestimmten Projektes im Juli 1961 stattfand. Diese Zusammenkunft war spannungsgeladen und die Einwohner stellten sehr unangenehme-eindringliche Fragen. Eine Vorankündigung hatte die Dorfbewohner davon in Kenntnis gesetzt, dass due Versammlung eine Dauer von etwa eineinhalb Stunden haben würde. In Wirklichkeit vergingen viereinhalb Stunden Während der Zusammenkunft sagte ein alter Mann:„Mich geht das nicht mehr an. Ich bin jetzt ein alter Mann und werde nicht mehr lange leben. Aber ich muss mich ja doch um die Zukunft der Kinder von Tiqiqahq kümmern.“ Nachdem die Versammlung beebdet war, beeindruckt: „Wer wagt es jetzt noch zu sagen, die Eskimos würden sich nicht für ihre rechte einsetzten?“ Otto W. Geist war ein wirklicher Freund der Eskimos. Es macht ihm Freude, mit ihnen beisammen zu sein. Die Einwohner von Point Hope beeindrucken ihn besonders wegen ohrer Verbundenheit mit der Ueberlieferung, mit ihrer Verbundenheit mit der sie acuh heute noch pflegen. Eines Tages marschierten wir in östlicher Richtung, bis wir uns etwa eine Meile außerhalb des Ortes befanden. Dort liegen die großen Ruinen einer vorgeschichtlichen Ansiedlung, „Iqiutak“ genannt, wo man die Ureberreste von etwa 800 Grasnarben-Iglus zählen kann. Die Stelle befindet sich in einer Senke zwischen dem Strand einer großen und einer kleinen Lagune in Richtung des jetztigen Ortes Point Hope. Otto ließ seine Gedanken in die Vergangenheit zurückschweifen: „Im Geiste sehe ich die große Geschäftigkeit in diesem alten Dorf. Jagende Männer, Frauen, die Fleisch schneiden__ Menschen überall. Kannst du dir vorstellen, wie hier die Kinder an den lagunen spielten und sich ihres Lebens freuten?“ Otto W. Geist war ein Mann tiefsten Verständnisses für die Eskimos.

Das die Eskimos dieses Verständnis zu würdigen wussten und wissen, zeigt nicht zuletzt dieser Bericht

Wasserburgeer Zeitung, am 27. September 1963

von Tanja Gießibl und Maria Müller